BRIGITTE LOEPER

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BRIGITTE LOEPER

 

 

 

Dr. Dorit Litt, Bonn
Dr. Erich Franz, Münster
Andrea Fink-Belgin, Hagen

 

Malerisch gesehen

Als ich die Einladungskarte für diese Ausstellung von Brigitte Loeper erhielt, konnte ich der Verlockung nicht widerstehen, die darauf reproduzierten Farben zu zählen. Aber schon bald hörte ich damit auf – wohl wissend, dass es ohnehin viel mehr Farbnuancen im Original gibt, die in der Reproduktion nicht mehr zu unterscheiden sind. Nun könnte ich vor dem Original meine Wahrnehmungsfähigkeit erneut überprüfen. Daran hindert mich aber glücklicherweise die sinnliche und emotionale Anziehungskraft der Farben, die im hellen Licht zu flirren beginnen.

„Im Fluss der Farbe” – so lautet der Titel des Bildes von 2006 – bewegen sich die dominierenden Gelb- und Orangetöne mit unterschiedlicher Dynamik über die Fläche. Sie fließen, gleiten, strömen oder sprudeln, türmen sich übereinander auf oder versinken wieder unter anderen Farbschichten. Zwischen den sich temperamentvoll ausbreitenden Farbtönen wirkt Blau als beruhigendes Element. Das Blau, die Komplementärfarbe zum lichten, heiteren Gelb, dient hier als Gegengewicht und Basis innerhalb der Gesamtkomposition. Wie die Farben selbst, so gerät auch unser Sehen und Erkennen in wechselhafte Bewegung: Umso mehr wir in die Bildstruktur eintauchen, umso sensibler wird unser Auge, umso mehr Farben nehmen wir wahr, und umso mehr erkennen wir die Bedeutung und Wirkung sowie den Zusammenklang der Farben. Das Wesen der Farben werden wir indes nie vollständig begreifen – trotz gründlicher Beobachtungen und analytischer Farblehren. Während die Theoretiker über Gesetzmäßigkeiten und Zuordnung der Komplementärfarben diskutieren, ignoriert die Natur die akademischen Regeln, zumal in ihr alle Farbkombinationen möglich sind. Darüber hinaus besitzt die Farbe – physikalisch gesehen – andere Dimensionen als in unserer eingeschränkten Wahrnehmungswelt. So registriert das menschliche Auge nur ein bestimmtes Spektrum an Farben; Infrarot und Ultraviolett in bestimmten Spektralbereichen bleiben für uns unsichtbar. Allgemein verbindliche Aussagen über die Wirkung von Farben führen sogar ins Absurde, berücksichtigt man die subjektiven Faktoren bei der individuellen Wahrnehmung, die von optischen Irritationen und in Einzelfällen von Farbblindheit beeinträchtig sein kann. Und bekanntlich spielt die vom Individuum abhängige emotionale Reaktion auf Farben neben den konkreten physiologischen Voraussetzungen des Auges eine entscheidende Rolle.

 Hier beginnt das Feld der modernen Malerei, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts zur Abstraktion tendiert. Mit der zunehmenden Autonomie der Farbe in der Malerei beginnt eine zuvor unbekannte Ära bildnerischer Freiheit, in der überkommene Formauffassungen keine Rolle mehr spielen; wo die Farbe selbst bestimmt auftritt und als persönliches Ausdrucksmittel des Künstlers an Bedeutung gewinnt. Schon für die frühen Abstrakten bestand das zentrale Anliegen in der Verstärkung der expressiven Eigenschaften der Farbe gegenüber ihren illustrativen und dekorativen Funktionen. Von der mittlerweile hundertjährigen Geschichte der abstrakten Malerei zehren bis heute die Künstler – und dies verstärkt seit den neunziger Jahren des 20.Jahrhunderts, als sich die Malerei erneut zu einem innovativen Experimentierfeld entwickelt hat. In diesem Umfeld reift auch das Werk von Brigitte Loeper, deren Affinität zum abstrakten Expressionismus nicht zu übersehen ist.

 (…) Das folgende Studium der Kunsterziehung und Geschichte befähigte sie dann auch zur kunstgeschichtlichen Arbeit. Nach dem Referendariat zog sie nach Soest, in die Geburtsstadt des Malers Wilhelm Morgner. In der erneuten Beschäftigung mit dem Expressionismus, nun in westfälischer Ausprägung mit Tendenz zur Abstraktion, fand Brigitte Loeper ihre Vorliebe für die ausdrucksstarke Farbe bestätigt. Die kurzzeitige Beschäftigung mit Druckgrafik, speziell mit der Lithographie, bleibt in ihrem Schaffen indes eher eine Episode. Denn auch die farbige Grafik kann ihre Sehnsucht nach der lichten, von der Zeichnung befreiten Farbe nicht stillen. Die gewünschte Leuchtkraft und Autonomie der Farbe findet sie ausschließlich in der Malerei, die seit etwa einem Jahrzehnt den zentralen Stellenwert in ihrem Schaffen einnimmt.

 Gleichgesinnte Künstler und Vorbilder findet Brigitte Loeper nicht nur unter den Expressionisten und frühen Abstrakten, sondern auch unter den abstrakten Nachkriegskünstlern wie Ernst Wilhelm Nay und den Informellen sowie in der Gegenwartskunst. Ihre Begeisterung für vorbildhafte bildkünstlerische Äußerungen verstellt aber nicht die Sicht auf den eigenen Weg, den Brigitte Loeper selbstbestimmt verfolgt. Schon das Bekenntnis zur Farbe als persönliches Ausdrucksmittel bestimmt ihren rein subjektiven Ansatz, der keine Beliebigkeit zulässt, sondern auf individuelle Erfahrungen und Emotionen sowie konkrete Stimmungslagen aufbaut. So sieht sie die Welt mit ihren Augen rein malerisch im Sinne von malenswert und farbig. Mit ihren sinnlich schillernden Bildern will sie den Alltag beleben und bereichern – schon darin sieht Brigitte Loeper ausreichend Rechtfertigung für ihr künstlerisches Tun. Gespräche über Farbtheorien und deren systematisierenden Farbzuordnungen in Form von Diagramm, Kreis, Ring, Kugel, Dreieck oder Stern weicht sie verständlicherweise aus. Denn in ihrer Vorstellungswelt sind die Farben nichts Statisches und vertragen darum auch keine starre und erst recht keine „graue” Theorie. „Alles fließt” so auch die Farbe allein schon durch die stete Veränderung des Lichts. Selbst in den zwei kleinsten quadratischen Bildern dieser Ausstellung, die nochmals in neun quadratische Farbfelder aufgeteilt sind, fließen die Grund- und Komplementärfarben über vorgegebene Grenzen und vermischen sich so nuancenreich mit anderen Farblasuren. Die beiden Kabinettstücke sind wie alle anderen Bilder dieser Ausstellung in Acryl gemalt und wirken doch eher wie Aquarelle. Denn die fein verstreuten Pigmente bestimmen durch lichte und schattige Partien scheinbar zufällig die Dichte und Dynamik der Farbe auf dem neutral wirkenden Bildquadrat, das die Malerin gern verwendet.

 Das freie Experimentieren mit unterschiedlichen Maltechniken, Bildträgern und Werkzeugen können wir als Besonderheit in der Malerei von Brigitte Loeper feststellen, wie diese Ausstellung anschaulich belegt. Die Lasur- und die Trockenpinseltechnik ist hier ebenso vertreten wie die pastose Malerei, die gemeinsam auch in Mischformen auftreten können. Oft liegen zahlreiche, etwa 20 bis 30 Farbschichten übereinander, die teilweise durch Spachtelmasse aus Bologneser Kreide, Glasfasern, Collagen oder Frottagen angereichert werden. Die Bildstrukturen gewinnen dadurch weiter an Komplexität und Lebendigkeit.

 Brigitte Loeper ermöglicht uns in dieser Ausstellung mit 22 ausgewählten Arbeiten einen repräsentativen Einblick in sieben Schaffensjahre. Die ältesten Arbeiten (auf Karton gemalt und hinter Glas gerahmt) entstanden 2002. Schon die Bildtitel – „Panta rhei VIII” und „Panta rhei X” verweisen auf das Hauptthema, mit dem sich die Malerin den ständigen Veränderungen im Leben stellt. Die Komplexität unseres Daseins reflektiert sie mit unbändiger Lust im wilden Farbauftrag. Die ineinander verwobenen Farbschichten wirken hier noch verzwickter durch zusätzliche Verwendung von Papiercollagen und Glasfasern. Die heftigen, gestischen Kompositionen erfahren ihre Grenzen durch die massiven Rahmen, die nicht nur als Schutzraum, sondern auch als formales Gestaltungsmittel notwenig sind.

 Auf jegliche Rahmung verzichtet Brigitte Loeper in allen folgenden Arbeiten auf Leinwand, Baumwolle und Holz, wodurch sich die Farbe über die Malfläche hinaus frei entfalten kann. Das Tafelbild entwickelt sich dabei zum dreidimensionalen Objekt, das nicht nur eine Malfläche, sondern auch vier bemalte Seitenkanten besitzt. Dadurch verändert sich die Gesamtwahrnehmung des Bildes, das nun unmittelbar in Beziehung zur Umgebung, zum Raum, zum nächsten Bild in Dialog oder Konkurrenz tritt. So hängen in der Ausstellung auch nicht zufällig gleichformatige Bilder wiederholt nebeneinander. Die von der Künstlerin vorgegebenen Bildreihen ermöglichen erneut Perspektivwechsel, die zu neuen Gestaltungs- und Sichtweisen führen. Auch das Farbspektrum beginnt sich zu erweitern; neben Grund- und Komplementärfarben sind nun auch gebrochene Farben präsent – neben Weiß, das immer im Spiel ist. Die dunklen Farben entstehen dagegen ausschließlich durch Überlagerungen vieler Farbschichten. Allein Schwarz schließt Brigitte Loeper grundsätzlich in ihrer Malerei aus, obwohl es eine ausdrucksstarke Farbe ist und nicht nur negativ gedeutet wird. In den Mythen kündet es aber meist von der Abwesenheit des Lichtes, das nun mal zum festen Bestandteil in Loepers Werk gehört.

 Die häufige Verwendung von Rot lässt dagegen auf ein uneingeschränktes Bekenntnis zum Leben schließen. Denn Rot ist die Farbe der Schöpfungsmythen schlechthin. Rot ist die Farbe der Liebe und des Blutes, das durch einen vitalen Körper fließt. In einem ihrer letzten großformatigen Bilder konfrontiert uns Brigitte Loeper erstmals mit einer kompakten roten Fläche, auf der ein vielfarbiges Blau schwebt. Die breiten Pinselspuren ziehen wie im Traum oder Rausch über das subtil durchgearbeitete Rot und führen uns aus der Realität in eine andere, rein malerische Welt.

 Brigitte Loeper malt ausschließlich abstrakte Farbwelten, ohne Andeutung von Motiv, Gegenstand oder Figur. Und dennoch ist die Natur mit ihrem Farbzauber die wichtigste Inspirationsquelle für die Malerin. Bei Aufenthalten an der See, in den Bergen oder bei täglichen Naturbeobachtungen im eigenen Garten sammelt sie Farbeindrücke, die in ihre Bilder indirekt einfließen. Die ursprünglichen Natureindrücke durchleben im Schaffensprozess viele malerische Variationen, wobei sich die Bildstruktur ständig ändert wie im blühenden Garten oder im Fluss, den man nie zweimal im selben Zustand sieht. Erst wenn die gesamte Komposition ausgewogen erscheint, sind die Bilder für Brigitte Loeper vollendet.

 Die ausgesprochen ästhetische und komplexe Malerei von Brigitte Loeper vermittelt eine offene Atmosphäre, die Freiräume für unterschiedlichste Assoziationen und subjektive Interpretationen bietet. Dafür benötigt man etwas Ruhe und vor allem Phantasie.

Dorit Litt, Einführungsvortrag zur Ausstellungseröffnung im Landtag Düsseldorf, April 2009

 

 

ZEIT-RAUM-KUNST

Das hier ausgestellte Gemälde von Brigitte Loeper zeigt eindeutig Farbe, nichts als gemalte Acrylfarbe. Und doch sieht man in diesen Verläufen und dieser Strahlkraft vielleicht auch Wolken, vielleicht ein Abendrot, oder fließendes Wasser, oder glühendes Feuer oder Lavaströme. Es ist das alles, und es ist das alles nicht. Unser Erkennen selbst gerät ins Fließen.

 

Erich Franz, 2007

 

 

Farbe – ungebunden und allumfassend

Farbe ist die wichtigste und beeindruckendste Dimension in der Malerei von Brigitte Loeper. Der erste Eindruck ist geprägt von einer sinnenfrohen Farbintensität, die gleichsam eine schier unbändige Lust am Leben verrät.
Farben sind den Werken von Brigitte Loeper allerdings nicht mehr allein Beschreibungen einer Außenwelt, sondern dienen vielmehr als Ausdrucksträger der komplexen und über jegliche Gegenständlichkeit hinausragenden Welt. Die Künstlerin nutzt das Medium Farbe somit vollkommen als eigenständiges Medium. Diese intensive Farbigkeit in den Arbeiten von Brigitte Loeper nehmen die Betrachter mit auf eine spannende Reise in eine ganz eigene, künstlerische Welt.

 

 

Andrea Fink-Belgin, 2002